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Location-Recherche: Schub für die Phantasie

Veröffentlicht am 10.12.2017

Als Autor schöpfe ich aus dem Brunnen meiner Phantasie.

Nicht nur.

Ich merke stets, dass es meiner Vorstellungskraft immer wieder einen großen Schub gibt, wenn ich von der Wirklichkeit tanken kann. Indem ich während des Schreibens eine Location meines Romans aufsuche – physisch real – und dort umherstreife, mich treiben lassen. Recherche vor Ort, natürlich, vielleicht aber auch ein zielloses Eintauchen in die besondere Atmosphäre des Ortes und seiner Menschen, die ich einfach auf mich wirken lassen.

Beispiel Düsseldorf.

Die Story:

KaWe (Karl-Wilhelm Wächter) will herausfinden, was es mit dem „Club Roxy“ auf sich hat, wo einige Fäden seiner Ermittlungen um den Tod von Giselle, einer ehemaligen Schülerin, ihren Ursprung zu haben scheinen.

 

Der Tag meines Besuches in Düsseldorf war etwas trostlos, was das vorherrschende Wetter betraf, die Menschen eilten mit eingezogenen Köpfen und hochgezogenen Schultern zu ihren Zielen – nur die Drogenabhängigen auf dem Worringer Platz warteten ergeben auf das Ende der Razzia, die fünf, sechs Polizisten gerade bei ihnen vornahm.

Gegenüber von diesem Platzes sollte sich das „Roxy“ befinden, so wollte ich es.

 

Und diese Szene ist schließlich als Teil meines (noch fertig zu stellenden) Romans daraus geworden:

 

Der ziemlich neu wirkende Regionalzug nach Düsseldorf kam KaWe viel leiser und komfortabler vor als er diese Bahn in Erinnerung hatte. Nach einer gefühlten Viertelstunde war er schon im Hauptbahnhof der Landeshauptstadt angekommen, ein schmuckloser Zweckbau aus den dreißiger Jahren. Draußen empfing ihn das gleiche Nieselwetter, bei dem er in Köln losgefahren war. Seine Ortskenntnis von Düsseldorf war nicht mehr berauschend, es war viele Jahre her, dass er in dieser Gegend gewesen war, aber dass er sich jetzt rechts halten musste wusste er noch. Die Gegend sah, verglichen mit dem Kölner Bahnhofsumfeld, eher so aus, wie man sich ein Bahnhofsviertel vorstellte, auch wenn er jetzt etliche neue Restaurants ausmachen konnte, die meisten schienen türkische Besitzer zu haben. Die wenigen Passanten, denen er hier begegnete, waren entweder Rollkoffer schleppende Reisende oder abgerissen gekleidete Männer unbestimmbaren Alters, die einen schmuddeligen Rucksack auf dem Rücken trugen und manchmal eine Flasche Bier in der Hand. Schon aus der Entfernung erkannte er zwei Streifenwagen, die hintereinander am Straßenrand parkten, sah, wie die Beamten Männer und Frauen durchsuchten, die mit erhobenen Armen vor ihnen standen, ihre Taschen leeren mussten und abgetastet wurden – offensichtlich eine Razzia an einem von Düsseldorfs Drogentreffs. KaWe überquerte eine stark befahrene Straße und ließ seinen Blick über die Hausfassaden wandern. Ein Reisebüro, ein Orthopädie-Schumacher, ein Friseursalon, daneben ein An- und Verkauf - auf den ersten Blick sah er nichts, was dem Roxy von damals ähnelte. Er wechselte auf die andere Straßenseite und begann die Hausnummern abzuzählen… hier musste es gewesen sein. Zoo Anders las er - offensichtlich ein Geschäft für Tierfreunde. In den beiden Schaufenstern standen Hasenkäfige neben einem Ständer mit dekorativen Hundehalsbändern, Katzenfutterdosen waren zu Pyramiden gestapelt. KaWe kniff die Augen zusammen, versuchte, sich den Club von damals hier vorzustellen. Ja, irgendwie passte das.

Einen Moment lang dachte er, dass er eigentlich wieder nach Hause fahren konnte - jetzt, wo feststand, dass es das Roxy nicht mehr gab. Oder auf ein Wunder warten.

Er schüttelte den Kopf und betrat den Laden. Folgte dem schmalen Gang, der ihn an einem niedrigen Stall mit kleinen, mümmelnden Hasen vorbeiführte, vorbei an einer Reihe von blubbernden Aquarien, neben denen sich übereinander gestapelte Katzenklos türmten, Hundefutter, Katzenfutter, Katzenstreu – das ganze Programm. Neben den Tieren war er offensichtlich das einzige Lebewesen in dem Laden, abgesehen von einer älteren Frau, die an einer Reihe von Kratzbäumen Preisschilder anbrachte und von der er nur ihre blonde Beton-Frisur und den mit einem roten T-shirt bedeckten Rücken sah – Zoo Anders, das Andere Fachgeschäft sagte der weiße Aufdruck. Die Kasse war nicht besetzt. Sein suchender Blick fiel auf eine weiße Klingel neben der Kasse. Er drückte sie und sie schrillte unnatürlich laut in seinen Ohren.

Jemaach, jemaach, esch komm‘ ja schon.“ Das rote T-shirt näherte sich schnaufend der Kasse. Eine etwas formlose Frau mit einem freundlichen Dackelgesicht und dem kleinen Namensschild Janine schaute ihn fragend an. „Bittschön?“

KaWe‘s Augen blieben an einem kleinen Ständer mit Katzenspielzeug hängen, seine Hand griff nach einer kleinen grauen Stoffmaus und legte sie auf die Kassentheke.

Fünfneunzisch.“

Ist das nicht etwas teuer?“ KaWe legte seine Stirn in Falten.

Na hören Se mal, dat is enne Qualitätsartikel, muss doch stabil sein, so‘n Spielzeug. Oder wollen Se, dat Ihr Liebling die Maus in einem Tag zerlegt?“

KaWe nickte ergeben und legte der Frau einen Zehner hin.

So – unn vier Euro fünf retour. - Kann ich noch wat för Se tun?“ Die Frau hatte KaWe‘s fragenden Blick registriert.

Ja. Sagen Sie, wissen Sie, was vor Ihrem Tiergeschäft hier für ein Geschäft gewesen ist?“

Wieso, Sind Se vonne Zeitung?“ Der Blick der Dackelfrau wirkte interessiert.

KaWe schüttelte den Kopf. „Nein, ich frage rein privat.“

Schade, Reklame könnte mer brauche.“ Die Frau strich ihr T-shirt glatt. „Also, vorher is hier sone Nachtclub drin jewese, dat Roxy. Da sah et hier am Worringer noch nit so schlimm aus wie heute.“

Können Sie mir etwas über das Roxy erzählen?“

Över dat Roxy?“ Der Blick der Frau schwenkte zu einem Kunden, der einen Einkaufswagen mit einem Katzenklo beladen zur Kasse schob. Sie deutete mit dem Kopf hinter sich.

Jeh‘n Se mal nach hinten zu dem kleinen Kabeusken neben dä Fische Abteilung, die Kollegin kann Ihne‘ vielleicht mehr dazu erzähle‘.“ Sie drehte sich zu dem älteren Mann um. „So - enn Katzeklo, dat jrooße Modell, ‘ne jute Wahl...“

KaWe steckte die Maus in seine Jackentasche und machte sich auf den Weg zu den Fischen. Durch das kleine Fenster, das sich oben in der grauen, einen Spalt offenen Tür befand, nahm er eine Bewegung wahr. Er klopfte an. „Hallo, können Sie mir mal helfen?“

Moment, ja?“ Eine kleine brünette Frau öffnete die Tür und wischte sich die Hände an einem karierten Tuch ab. Das kleine Schild auf ihrem Zoo Anders T-shirt wies sie als Magdalena aus. Sie schaute ihn fragend an.

KaWe räusperte sich. „Ihre Kollegin an der Kasse sagte mir, Sie könnten mir etwas über den Club Roxy erzählen, der hier in den Räumen einmal gewesen ist.“

Das Roxy… ich?“ Das Gesicht der Frau verschloss sich. „Wieso… was wollen Sie?“

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