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Fotografie: ABENTEUER GROSSFORMAT (2)

Veröffentlicht am 04.05.2021

4 x 5 Inch - MEIN EINSTIEG IN EIN NEUES FORMAT

TOYO D45M Monorail - Foto: R. MaximoffTOYO D45M Monorail - Foto: R. Maximoff

 

Großformat“ war bisher für mich meine alte 2x3 Inch (6x9) GRAFLEX Speed-Graphic Pressekamera , also eher „kleines Großformat“. Seit einiger Zeit befindet sich nun eine TOYO Monorail-Kamera in meinem Besitz – mit ihrem 4 x 5 Inch Negativformat noch einiges größer als das (im Vergleich zu KB 24 x 36) schon beeindruckend große Negativ der Graflex. Und das Gerät ist auch schon deutlich schwerer und unhandlicher. Dafür finde ich die Verstellmöglichkeiten der auch nicht mehr ganz jungen Japanerin aus den 70er Jahren phänomenal: Rise, Fall, Schwenk links und rechts, Front- und Backtilt – und das mit der Frontstandarte ebenso wie mit der rückwärtigen. Mehr geht nicht. Alles ist modular aufgebaut, Balgen, Standarten, Monorail, Stativbefestigung, Rückteil, Mattscheibe, klappbarer Lichtschutz, Objektiv-Platine mit Objektiv… alles mit wenigen Griffen demontierbar.

Der groß dimensionierte Objektivträger der Toyo trägt locker „richtig große“ GF-Objektive wie mein klasse Schneider Symmar-S (5.6 240mm), das ich mir als Portrait-Linse gekauft habe, es entspricht etwa 80mm KB-Brennweite. Bei Offenblende offenbart sich ein grandioses Freistell-Potential, das man durch Verschwenken der Objektivebene (nach Scheimpflug) natürlich noch verstärken bzw. steuern kann.

An der Graflex habe ich als leichte Tele Brennweite bisher ein Fujinar 6.3 150mm verwendet, dieses kann ich natürlich auch an der Toyo adaptieren, es ist hier die „Nomal-Brennweite.

 

Bei diesen Geräten ist fotografieren bis ins letzte Detail Handarbeit, das hat die Toyo mit der älteren Graflex gemeinsam – einen Entfernungsmesser sucht man vergeblich, Autofocus sowieso.

Dafür stelle ich die Schärfe unter einem dunklen Tuch auf einer Mattscheibe ein, fast immer benutze ich aber zur genaueren Kontrolle eine spezielle Lupe.

Zeigten erste Versuche anfangs eher mäßige Ergebnisse, bekam ich zunehmend ein Gefühl für die komplexe Technik. Entwickelt wurde der SW-Film in einer Schale mit Adonal – da ich schon einige Erfahrung mit Filmentwicklung hatte, war das kein wirkliches Problem, im Gegenteil: da ich den 4 x 5 Planfilm einzeln entwickelte, konnte ich aus Fehlern direkt lernen und das Erfahrene direkt beim nächsten Bild umsetzen.

Wozu habe ich dieses (auch für 4 x 5 Inch) recht schwere und unhandliche Gerät angeschafft? Eigentlich für Portrait-Fotografie, vielleicht auch mal die eine oder andere Landschaftsaufnahme oder auch Architektur. Aber das in Ruhe und mit Bedacht gestaltete Portrait war und ist eigentlich meine Triebfeder.

 

Jetzt also mein erstes „richtiges“ Portrait. Ein Musiker sollte mein Modell werden, eigentlich ein befreundeter Fotograf, der früher viele Jahre lang in verschiedenen Orchestern Trompete oder Kornett gespielt hatte. Durch verschiedene Lebensumstände bedingt hatte er sich irgendwann von seiner Karriere als Musiker verabschiedet – dieser wichtige Lebensabschnitt ist für ihn, wie ich empfinde, immer noch sehr bedeutend.

So sollte also Ralf mit seinem Instrument vor der Kamera stehen, und der Betrachter des Bildes einen gewissen Eindruck von ihm als Menschen bekommen, zusammen mit seiner Trompete. Vielleicht würde sogar irgendwie Musik zu hören sein, sagte meine Fantasie - unterschwellig, ohne dass ein Ton gespielt werden würde.

 

 Die Story:


Die Luft war eher kühl, aber wenn die Sonne hinter den großen Wolken hervorkam, wurde es angenehm warm auf dem Hof mit den alten Garagen, die den Hintergrund für das Shooting bilden sollten.
Nach einem entspannten Vorgespräche mit Ralf in einer Ecke des Hofes bei Kaffee und leckeren Haferkeksen war konzentrierte, sorgfältige Arbeit angesagt, um die Portraits von Ralf s
o hinzubekommen, wie ich mir das vorstellte.

Zunächst also die komplizierte Maschine auf das Stativ geschraubt, einen Platz für den Shoot festgelegt, genaue Position des Models auf dem Boden eingezeichnet, Kamera eingerichtet, Bildausschnitt auf der Mattscheibe festgelegt, Schärfe grob eingestellt, mit der Lupe fein justiert. Und auf die Wolke gewartet, die ich als Softbox vor der Sonne haben wollte. Mit dem Minolta-Belichtungsmesser vor Ralfs Gesicht schnell eine Lichtmessung durchgeführt; 1/15 bei Blende 16 beim ersten Bild, der Fomapan Planfilm hat 100 ISO. Auf die schnell weiterziehende Wolke schielend ebenso schnell jetzt die Filmkassette hineingeschoben, Kassettenschieber raus - 3 - 2 - 1 ... der mächtige Compur-3-Verschluss klackt vernehmlich. Kassettenschieber wieder rein. - Ausatmen! Geschafft.

Hoffentlich!

 

Zwei Bilder an unterschiedlich Orten mit unterschiedlichen Einstellungen wurden es dann (nur). Sind halt verdammt viele Überlegungen und Handgriffe. Und schließlich noch das Entwickeln einen Tag später. Auch ok.
Kleines Manko beim ersten Bild: beim kräftigen Hineinstecken der Filmkassette
an der hinteren Standarte hatte diese sich offensichtlich um wenige Millimeter nach unten bewegt - anscheinend hatte ich die Verstellschraube für den RISE nicht fest genug angezogen. Dadurch war die "Luft" unter Ralfs Schuhen weg. Sowas passiert eben, ich lerne daraus.

(C) Max Mehner(C) Max Mehner

 

Gedanken nach den Aufnahmen:

 

a) Die schwere und komplexe Technik erfordert viele Überlegungen des Fotografen. Dadurch ist erst einmal wenig Raum für Spontanes. Bildideen werden im Kopf vorbereitet, oft auch mittels Skizzen fixiert.

b) Da die Tiefe der Bildschärfe bei einer typischen GF-Portraitbrennweite von 240mm (KB EQ 80mm) selbst leicht abgeblendet minimal ist, musst du überlegen, worauf genau du scharf stellen willst. Und musst deinem Model die Möglichkeit geben, durch Stillhalten in dieser Ebene zu verweilen. Dies führt – genau wie die ganze vorbereitende Prozedur, in die das Model auch irgendwie eingebunden ist – zu einer bestimmten Ästhetik. (Diese könnte natürlich durch einen digitalen Aufnahmeprozess annähernd nachgebildet werden, ein digitaler Aufnahmeprozess mit KB oder MF wird jedoch ganz anders ablaufen und führt deshalb auch zu ganz anderen Bildern).

 

(C) Max Mehner(C) Max Mehner

 

Zum Ergebnis:


Das erste Bild war in etwa so in meinen Gedanken geplant. Hier strebte ich eine gleichmäßige Gesamtschärfe an (Abblendung auf Bl. 11). Ralf verharrt in einer in sich ruhenden Position, was noch durch den rechten Arm und die Trompete verstärkt wird, die zusammen mit den Schultern ein Dreieck bilden.

Bei Bild zwei war
das Model selber stärker eingebunden. 
Ralf zu dieser Aufnahme:

...Das Zweite ist eher ein Editorial-Shot. Max hatte mir einen Raum zur Selbstinzenierung gegeben, deshalb Trompete locker an die Schulter und der Blick in die Ferne. Dann kam sein Überlegen, die Toyo künstlerisch einzusetzen bzw. seinen Eindruck fotografisch zu verstärken durch das Verschwenken der Schärfeebene.
Tatsächlich wurde meine Intention verstärkt
durch ein scharfes, in die Ferne blickendes Auge, das sich von dem Wirrwar an der Trompete abhebt.“

 

Bei Bild zwei liegt, wie gesagt, eine punktuelle Schärfe auf dem linken Auge von Ralf. (Auch andere Bildpartien sind knackscharf wie Teile des Bartes, aber das Auge ist hier das Wesentliche.) Den Schärfeabfall zum Hintergrund, den ich noch durch ein Verschwenken der Frontstandarte unterstützt habe, empfinde ich als harmonisch. Mensch und Instrument sind deutlich zu erkennen, der Hintergrund wird für die „Story“ nebensächlich und lenkt nicht ab.

 

Wie hier wahrscheinlich deutlich wird, ist die Arbeit mit solch einer Kamera schon ein spezielles Ding – du musst es mögen. Aber solch ein gedanklich geplantes, sorgfältig durchgeführtes Shooting kann etwas sehr befriedigendes sein.

Finde ich.

 

 

 

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